Der folgende Text, geschreiben von Moritz Werner, wurde in einem der führenden Magazine über den historischen Motorsport Ausgabe Nummer 23 der Automobilsport veröffentlich.

Im historischen Motorsport geht es, wie in jedem anderen Sport auch, um den Wettbewerb: besser beziehungsweise schneller zu sein als die anderen oder auch das interessantere und seltenere Fahrzeug an den Start zu bringen. Aus verschiedenen Gründen werden jedoch immer weniger originale Fahrzeuge eingesetzt. Warum ist das so, und wohin entwickelt sich der historische Motorsport insgesamt?

Grob lassen sich die Teilnehmer von historischen Motorsportveranstaltungen in zwei Gruppen einteilen. In der ersten Gruppe befinden sich diejenigen, die dem Sport vor allem aus Begeisterung für die Historie ihrer Fahrzeuge verbunden sind. Die zweite Gruppe besteht aus Hobbyrennfahrern, die hauptsächlich Spaß an einer besonders authentischen Form des Motorsports suchen. Die Mitglieder der ersten Gruppe haben den Sport durch Clubveranstaltungen schon in den 1930er Jahren ins Leben gerufen und damit die Grundlage für alle heutigen Events geschaffen.

Bis vor circa 15 bis 20 Jahren gehörten auch die meisten Teilnehmer von historischen Rennveranstaltungen der ersten Gruppe an. Vor allem auf die Originalität der eingesetzten Fahrzeuge wurde viel Wert gelegt, und man nutzte die Veranstaltungen, um sich mit Gleich- gesinnten auszutauschen. Häufig galt das Motto: je spartanischer und bodenständiger, desto besser. Viele Teilnehmer reisten mit dem Anhänger oder gleich auf eigener Achse an, und zum Teil halfen Freunde bei der Vorbereitung und beim Renneinsatz der Fahrzeuge. Ich kann mich noch gut an einige Oldtimer-Grands-Prix am Nürburgring in den 90er Jahren erinnern, als ein englischer Teilnehmer alljährlich mit seinem Alfa Romeo 8C Monza mit montierter Anhängerkupplung und angehängtem Wohnwagen zum Rennen anreiste und mit demselben Wagen auch beim Vorkriegslauf startete.

Dass nicht jeder die Fähigkeit besitzt, sein eigenes Fahrzeug autark einzusetzen, ist vollkommen verständlich – aus Gründen der Sicherheit ist professionelle Unterstützung in der Regel auch sehr sinnvoll. Allerdings hat die Professionalisierung in unserem Sport mittlerweile überhandgenommen und damit auch einige negative Entwicklungen in Gang gesetzt.

Wenn man sich die Vielzahl an hypermodernen Transport-Lkws anschaut, sieht es bei den heutigen historischen Rennen fast schon wie bei einem aktuellen Formel-1-Grand-Prix aus.

Grundsätzlich ist es sehr positiv, dass einige Hobbyrennfahrer viel Geld in ihren Sport investieren und damit ihre Fahrzeuge auf einem sehr hohen technischen Niveau erhalten. Dennoch hat sich über die Jahre allmählich auch ein falscher Ehrgeiz entwickelt, der meiner Meinung nach hauptverantwortlich ist für die sukzessive Reduzierung an originalen Autos bei den Veranstaltungen. Da die Federation Internationale de l’Automobile (FIA) bei der Vergabe der technischen Pässe, die für fast alle historischen Motorsportveranstaltungen notwendig sind, nur die technische Konformität, nicht aber die Originalität prüft, dürfen auch diverse Nachbauten an den Rennen teilnehmen.

Deshalb setzt die zweite Gruppe der historischen Hobbyrennfahrer hauptsächlich mehr oder weniger legal optimierte und nicht originale Fahrzeuge bei den Veranstaltungen ein. Eine milde Form dessen sind Rennautos, die als Basis eine Straßenwagenkarosserie verwenden, wie zum Beispiel viele Ford Escorts oder Capris in der historischen Tourenwagenserie. Den- noch wird so die Performance erheblich gesteigert. Ein solches Fahrzeug kann wesentlich kompromissloser und optimierter aufgebaut werden als ein originales Rennfahrzeug. Die extremere Variante stellen reine Replikas dar, die meist von Fahrzeugen mit Gitterrohrrahmen und aufgesetzter Karosserie angefertigt werden. Auch hier ist relativ leicht zu verstehen, dass durch die vielen Optimierungsmöglichkeiten der Wettbewerb erheblich verzerrt wird. Weitreichender ist dann noch die illegale Optimierung dieser Aufbauten oder Replikas durch mehr Hubraum, modifizierte Achsgeometrien oder Fünf- statt Vierganggetriebe.

Ein anderer Schritt, der den Sport in eine extreme Richtung getrieben hat, ist der vermehrte Einsatz von ehemaligen oder aktuellen Profirennfahrern. Zwar ist es völlig verständlich, dass einige Hobbyrennfahrer durch Lehrgänge von Profis versuchen, schneller und sicherer unterwegs zu sein. Die Mischung der Profis und Amateure in den Rennen birgt allerdings auch ein erhebliches Risiko, da viele Amateurfahrer im historischen Sport maximal ein oder zwei Rennen im Jahr fahren und mangels Erfahrung Situationen zuweilen falsch einschätzen.

Wenn durch diese Entwicklungen die Gefahr erheblich gestiegen ist, dass die originalen Fahrzeuge beschädigt werden, warum setzen dann immer noch einige Besitzer ihre unbezahlbaren Kunstwerke auf vier Rädern diesem Risiko aus? Ich glaube, ein Großteil dieser Gruppe macht das, um sich damit in eine besonders spannende Ära des Motorsports zurückzuversetzen, um die Fahrzeuge weiterhin öffentlich in ihrer natürlichen Umgebung zu präsentieren und vor allem, weil ein Original dem Besitzer – im Gegensatz zum Nachbau – ein unvergleichliches Gefühl vermitteln kann. Diese Grundgedanken sind auch in den Anfängen des historischen Motorsports verwurzelt.

Wie aber sieht es mit den Zuschauern aus – macht es für sie einen Unterschied, ob vermehrt Replikas oder Originale an den Events teilnehmen? Wenn man sich die Vermarktungsstrategien der Veranstalter anschaut, die ihre Events häufig mit den exorbitanten Werten der Fahrzeuge bewerben, ist das wohl ein Teil der Attraktivität. Nimmt jedoch der Anteil an originalen Fahrzeugen bei den Veranstaltungen stetig ab und wird die Werbestrategie irgendwann als Mogelpackung enttarnt, bleiben die wirklichen Enthusiasten unter den Zuschauern aus.

Ein Lösungsansatz, um das Rad vielleicht zurückzudrehen, wäre eine strikte Trennung der beiden Gruppen von historischen Motorsportlern – mit anderen Worten: Rennen nur für Originalfahrzeuge und Rennen nur für Nachbauten. Hierzu müsste natürlich entsprechend die Originalität der Fahrzeuge hinsichtlich Historie und technischem Stand genauer durch die Veranstalter überprüft werden.

Möglicherweise leitet aber auch ein kürzlich getroffenes Gerichtsurteil aus Italien die Kehrtwende ein. Das Gericht von Bologna entschied vorläufig, dass ein Ferrari GTO als Ikone der Automobilindustrie ein Kunstwerk darstellt und nicht reproduziert werden darf. Ein gerichtlicher Folgetermin ist für den 28. November angesetzt. Sollte das Urteil bestätigt werden, bleibt abzuwarten, was mit den vielen bestehenden Replikas dieses Typs passiert. Ein solches Fahrzeug hatte die diesjährige Kinrara Trophy in Goodwood gewonnen – dem gleichen Besitzer gehört allerdings auch das wesentlich schönere und sehr wahrscheinlich langsamere Original.